Hinweis: dieser Artikel wurde ursprünglich für das spanische Geschichtsmagazin Desperata Ferro verfasst. Er wurde in Ausgabe #8 im Dezember 2011 veröffentlicht.
Als Alexander der Große starb, hinterließ er ein Reich, das von der makedonischen Armee erschaffen wurde. Das Rückgrat seines Heeres war die makedonische Phalanx, eine verbesserte Version der klassischen Griechischen Phalanx, mit längeren Lanzen in einer engeren formation. Die Männer, die in den Phalanx-Regimenten dienten, nannte man Phalangiten oder Pezhetairoi (griechisch: Gefährten zu Fuß), und ihre Ausrüstung war auf ihre neue Art zu Kämpfen zugeschnitten.
Der Erfinder der makedonischen Phalanx, König Philipp II, verbesserte die klassische Hoplitenphalanx, indem er seine Soldaten mit deutlich längeren Lanzen ausrüstete, und sie in einer engeren Formation aufstellte, wodurch 16 Reihen am Kampf teilnehmen konnten. Eine Phalanx bestand aus 64 Syntagma. Jede Syntagma bestand wiederum aus 256 Soldaten. Die klassische Phalanx hatte üblicherweise acht Reihen auf 100 Soldaten.
Als Nebeneffekt mussten die Phalangiten kleinere Schilde tragen, die ihnen erst erlaubten enger zusammen zu stehen und die Sarissa zu führen. Allerdings wurde der verringerte Schutz durch die Schilde durch die erhöhte Reichweite und Schlagkraft der Phalanx mehr als ausgeglichen.
In der Schlacht von Chaironeia im Jahre 338 vor Christus errang die makedonische Phalanx einen entscheidenden Sieg gegen die griechische Hoplitenphalanx, und mit der folgenden makedonischen Vorherrschaft über Griechenland begann die Ära des Phalangiten, die erst mit der Schlacht von Pydna enden sollte, in der sich abermals eine neue Kampfweise als erfolgreich erweisen sollte: die Manipeltaktik der Römer.
Einige Mitglieder der deutschen Living History Gruppe Hetairoi beschäftigen sich mit der historischen Darstellung der makedonischen Infanterie, inklusive der Phalangiten. Waffen und Rüstung, so wie die notwendige Kleidung, wurden Anhand antiker Quellen, archäologischer Funde, und Theorien moderner Geschichtswissenschaftler rekonstruiert.
Im Grunde ist die Ausrüstung des Phalangiten der des klassischen Hopliten sehr ähnlich. Der typische Pezhetairoi trug ein kurzes Gewand aus Wolle oder Leinen, den Chiton. Im zivilen Leben war der Chiton eine Art Untergewand, für Soldaten war es allerdings das wichtigste Kleidungsstück. Unsere Erfahrung zeigt, dass der Chiton ein sehr bequemes Kleidungsstück ist, das seinem Träger einen hohen Grad an Beweglichkeit lässt.
Als Schuhwerk konnte der Phalangit auf eine große Bandbreite an Modellen zurückgreifen, von einfachen Sandalen bis hin zu makedonischen Stiefeln gibt es zahlreiche historische Abbildungen. Beide Beine wurden durch bronzene Beinschienen, die Knemides, vom Knie bis zum Knöchel geschützt. Für den Oberkörper existierten zwei Rüstungsvarianten. Eine Variante, der Thorax, war ein bronzener Panzer, der nach der Anatomie eines männlichen Oberkörpers geformt war. Dieser Rüstungstyp ist sehr oft im archäologischen Fundgut enthalten, und kann daher als gesichert angesehen werden. Die Alternative ist ein sogenannter Linothorax. Obwohl es Erwähnungen in antiken Texten, so wie zahlreiche Abbildungen zeitgenössischer Kunst gibt, sind wir uns heute nicht sicher, wie diese Rüstung beschaffen war. Eine gängige Theorie geht von bis zu zwölf Schichten aus miteinander verleimten Leinen aus, was eine stabile, aber immer noch bequeme Rüstung ergibt. Andere Theorien gehen von dickem Leder oder einem gesteppten Textilpanzer aus. Da keine solchen Panzer im archäologischen Fundgut enthalten sind, kann die einzige gesicherte Aussage sein, dass es sich um vergängliche Materialien handeln muss.
Zwei Mitglieder unseres Vereins haben die Variante mit verleimten Leinenschichten nachgestellt, und die resultierende Rüstung bietet sehr guten Schutz bei immer noch hohem Tragekomfort für den Soldaten. Das Experiment zeigt, dass die Variante mit verleimtem Leinen zumindest eine brauchbare Rüstung produzieren kann, die den antiken Abbildungen sehr Nahe kommt. Allerdings liegt der Vorteil einer solchen Rüstung wohl eher in der höheren Verfügbarkeit, als in ihrem Gewicht. Ein vollständiger rekonstruierter Linothorax wiegt 4,2 kg, während ein bronzener Panzer je nach Dicke der Panzerung ungefähr 3,4 bis 4,2 kg wiegt.
Als Kopfschutz konnten die Phalangiten auf eine große Zahl unterschiedlicher Helmtypen zurückgreifen, die in den meisten Fällen das Gesicht unbedeckt ließen, und mit Büschen oder Helmkämmen aus Pferdehaaren, Federn, und grellen Bemalungen verziert gewesen sein konnten. Helme mit offenem Gesichtsfeld bieten adäquaten Schutz für den Kopf, und erlauben dem Soldaten immer noch einen guten Überblick über das Schlachtgeschehen. Typische Helmformen waren der attische oder thrakische Helm mit an Scharnieren angesetzten Wangenklappen, der billige Pilos Helm, oder manchmal der phrygische Helmtyp mit seiner charakteristischen hochgezogenen Kalotte.
Als Schild trug der Phalangit die makedonische Pelta, einen kleinen runden Schild mit ungefähr 60cm Durchmesser. Es wurde üblicherweise aus einem leicht gewölbten Holzkern gefertigt, der mit Leinen oder Bronze überzogen war. Auf der Innenseite befand sich eine Halterung für den Arm, die Porpax, so wie ein Griff, um den Schild zu führen, die Antilabe. Beim Kampf mit der Sarisse steckte der Phalangit seinen linken Arm durch die Antilabe, so dass diese über den Schildrand heraus ragt, und zum Führen der Waffe verwendet werden konnte. Beim Kampf mit dem Schwert wurde die Antilabe als normaler Griff eingesetzt. Zusätzlich war auf der Innenseite ein Schultergurt befestigt, der den Schild stabilisierte, und dabei half die linke Schulter zu entlasten (Connolly 2000). Die Vorderseite der Schilde war üblicherweise bemalt, beispielsweise mit dem Argeadenstern, dem Symbol der makedonischen Königshäuser, oder anderen individuellen Motiven. Für unsere Rekonstruktion haben wir Kaseinfarbe benutzt, ein wasserlösliches Bindemittel aus Milch-Kasein, das schon seit der Antike bekannt ist.
Die Hauptwaffe des Phalangiten war die berühmte Sarissa, eine Lanze, die nach Theophrastos eine Länge von 12 Kubits (5,50 m) erreichen konnte. Die Sarissa bestand aus einem hölzernen Schaft, auf dem an einer Seite eine eiserne Speerspitze befestigt war, und an der anderen ein eiserner Lanzenschuh. Nach den Theorien von Prof. Andronikos (Andronikos und Turner 1984) war der Holzschaft der Sarissa in der Mitte geteilt und wurde durch eine eiserne Manschette verbunden. Dadurch wäre der Transport der Waffe und das Ersetzen eines gebrochenen Schaftes erheblich erleichtert.
Nach den Funden aus den Königsgräbern von Vergina planten unsere Mitglieder ihre Rekonstruktion der Lanzenspitze mit einer Länge von 51 cm, und einem Gewicht von 1,2 kg, und den Lanzenschuh mit einer Länge von 44,5 cm und einem Gewicht von 1,7 kg, so wie einem 17cm langen Verbindungsstück. Durch Ungenauigkeiten beim Schmieden hatte der Lanzenschuh am Ende leider ein höheres Gewicht von 2 kg.
Mehrere Versuche mit unterschiedlich großen Lanzenspitzen und Schaftdurchmessern stellten sich als unbrauchbar heraus. Schlussendlich konnte durch einen Schaftdurchmesser von 4 cm die Biegung der Waffe auf ein Minimum reduziert werden.
Antike Quellen sprechen von Kornelkirsche (Cornus mas) als Schaftholz. Leider ist dieses Holz außergewöhnlich selten, und kaum in der notwendigen Länge zu bekommen. Wir gingen schließlich einen Kompromiss ein und verwendeten ein anderes aus der Antike bekanntes Holz. In seiner Ilias erwähnt Homer Lanzen aus Eschenholz (Homer and Smith 1869), und tatsächlich war das Holz der gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) oft im Gebrauch für diesen Zweck. Daher ist es möglich, dass auch Esche als Material für die Schäfte der Sarissa verwendet wurde, und da es heute noch in ausreichender Länge verfügbar ist, wurde es zu unserem Schaftmaterial.
Natürlich ist die Handhabung einer solchen langen und exotischen Waffe erst einmal ungewohnt, insbesondere wenn man die Sarissa zum ersten Mal aufrecht trägt. Ein Freund des Vereins sagte einmal während einem Training: “Man muss erst einmal die Angst vor der Waffe verlieren.”
Unsere Experimente zeigen, dass die Phalangiten intensiv im Umgang mit der Sarissa trainiert werden mussten, um Unordnung während der Schlacht zu vermeiden. Im Gegensatz zur klassischen Hoplitenphalanx, konnten hier nicht länger frisch rekrutierte Bürgersoldaten eingesetzt werden. Folgerichtig wurden die Milizheere der griechischen Stadtstaaten durch gut ausgebildete und schlagkräftige Berufssoldaten ersetzt.
Als Zweitwaffe trug der Soldat ein Schwert, entweder ein Xiphos mit gerader blattförmiger Klinge, oder eine gebogene Kopis, die sehr effektiv als Hiebschwert war. Getragen wurde das Schwert in einer Scheide auf der linken Körperseite an einem Gurt, dem Imas. Das Schwert kann nur als letzte Verteidigungsmöglichkeit gesehen werden, wenn die Sarissa gebrochen ist, der verbleibende Part mit dem Lanzenschuh nicht mehr eingesetzt werden konnte, und die Formation im engen Nahkampf verwickelt war.
Die komplette von uns rekonstruierte Ausrüstung eines Phalangiten wog 23,1 kg, inklusive aller oben genannten Waffen und Rüstungsteile. Verglichen dazu trug ein klassischer Hoplit ein Gesamtgewicht von 20,3 kg. Der Hauptunterschied kommt von der Sarissa, die natürlich erheblich schwerer ist, als ihr klassisches Gegenstück, der Dory.
Tabelle 1 zeigt eine detaillierte Gegenüberstellung der Ausrüstungsgegenstände.
Ausrüstung | Phalangit | Hoplit |
---|---|---|
Rüstung und Schwert | 11,4 kg | 9,2 kg |
Schild | 4,6 kg | 9,0 kg |
Lanze | 7,1 kg | 2,0 kg |
Gesamtgewicht | 23,1 kg | 20,3 kg |
Wie oben bereits erwähnt setzte die Kampfweise des Phalangiten ein intensives Training voraus. Aus der Erä der Hoplite, vom frühen sechsten bis ins späte vierte Jahrhundert vor Christus, sind uns Fragmente von militärischen Kommandos und Übungen bekannt. Leider gibt es keine solchen Überlieferungen für die makedonische Phalanx. Daher haben wir die älteren Befehle als Ausgangspunkt genommen und für die makedonische Phalanx adaptiert, was Philipp II möglicherweise ebenfalls tat, als er die makedonische Phalanx einführte. Damit übten wir den Umgang mit der Waffe auf dem Exerzierplatz und in der Schlacht.
Der gut ausgerüstete und trainierte Pezhetairos gewann die Vorherrschaft über Griechenland, sah das gewaltige Perserreich zerfallen, und erwies sich jeder anderen Infanterie der damaligen Zeit als überlegen. Seine bislang härteste Prüfung kam nach dem Zerfall des Reichs Alexanders des Großen, als plötzlich hellenistische Armeen mit gleichen Waffengattungen und gleicher Taktik um die Vorherrschaft kämpfen. Aus ehemaligen Kameraden wurden bittere Feinde, als Alexanders Generäle sich anschickten ihre eigenen Königreiche zu errichten. Von den vielen geschlagenen Schlachten brachte keine den erhofften Frieden oder den Sieg für eine Seite, manche brachte jedoch einen kurze Waffenruhe. Eine solche Schlacht war die von Ipsos im Jahre 301 vor Christus während dem vierten Diadochenkrieg. In dieser Schlacht besiegte Kassandros I, unterstützt von einer Koalition aus Ägyptern, Thrakern, und Seleukiden, Antigonos I, der in der Schlacht fiel. Nach der Schlacht von Ipsos, in der Phalanx gegen Phalanx kämpfte, und die bessere Taktik siegte, ordnete sich die hellenistische Welt neu. Kassandros herrschte nun über Makedonien und Teile Kilikiens, und überließ Thrakien und Kleinasien an Lysimachos, Syrien, Mesopotamien und den Persischen Osten an Seleukos, und Ägypten mit den angrenzenden Gebieten an Ptolemaios. Jedoch brach nach nur 20 Jahren erneut Krieg zwischen den Diadochenreichen aus (Droysen 1877).
Die hellenistische Welt blieb ruhelos, ständig bedroht durch interne Machtkämpfe und neue Dynastien. Über all diese Konflikt blieb der Phalangit das Kernstück der hellenistischen Heere, und für lange Zeit konnte ihm keine andere Kampfweise beikommen. Daher wandelte sich die Ausrüstung der Phalangiten über den Hellenismus kaum, da Änderungen nur nötig gewesen wären, um sich an neue Taktiken anzupassen.
Schlussendlich beendeten die römer die erfolgreiche Laufbahn des Pezhetairois. Die Schlacht von Pydna in Nordgriechenland konfrontierte die Phalanx, die für ihre absolute Überlegenheit auf dem Schlachtfeld berüchtigt war, mit der neuen Kampfweise der römischen Legionen. Auf unebenem Gelände erwies sich die flexible römische Schlachtordnung der starren Phalanx als überlegen. Auch wenn die Phalanx weiterhin in hellenistischen Heeren eingesetzt wurde, waren ihre Schwachstellen nun offensichtlich.
Die einst unbesiegbare makedonische Phalanx konnte nun geschlagen werden.