Kleidung eines makedonischen Soldaten im späten 4. Jhd. v.Chr.

Hinweis: In diesem Text geht es zwar um die Rekonstruktion typischer Kleidung eines makedonischen Soldaten Ende des vierten Jahrhunderts vor Christus, allerdings sind alle hier beschriebenen Kleidungsstücke auch quer durch den Hellenismus in Gebrauch und, mit der Ausnahme der speziellen makedonischen Tracht, auch schon in der griechischen Klassik zu finden. Für die anderen Zeiten bleibt es aber dem Leser überlassen, Quellen aufzulisten, oder mir in meiner Aussage einfach zu vertrauen.

Durch das Klima in Makedonien und Griechenland gibt es leider nur sehr vereinzelte Textilfunde im archäologischen Fundgut für das ausgehende vierte Jahrhundert vor Christus. In texten antiker Autoren wird hingegen oft auf einzelne Aspekte von Kleidungsstücken eingegangen, wie beispielsweise die Farbe, oder deren Bedeutung. Allerdings bleiben andere für die Rekonstruktion interessante Aspekte, wie die Form, das Material, oder das Gewebe unerwähnt, vermutlich, weil all dies dem zeitgenössischen Leser vertraut gewesen wäre. Die antiken Geschichtsschreiber vermitteln uns also kein vollständiges Bild der hellenistischen Kleidung. Bei der Rekonstruktion der typischen Kleidung eines Makedonischen Soldaten, müssen wir uns also hauptsächlich auf Bildquellen verlassen.

Quellen

Die meisten Abbildungen von Soldaten stammen aus dem Begräbnis-Kontext, beispielsweise Freskos oder Reliefs in Grabmalen, auf Stelen, oder Sarkophagen. Aus der Zeit Alexanders des Großen stechen zwei Quellen hervor: das makedonische Grab von Agios Athanasios, und der Alexandersarkophag. Das Grab von Agios Athanasios ist datiert auf das späte vierte Jahrhundert vor Christus, und enthält zahlreiche Abbildungen von Soldaten, sowohl mit, als auch ohne Bewaffnung. Die Malereien sind in einem hervorragenden Zustand, und die meisten Farben können noch problemlos identifiziert werden. Der Alexandersarkophag wird ebenfalls auf das späte vierte Jahrhundert datiert, und zeigt unterschiedliche makedonische Soldaten in der Schlacht. Hier können von den Farben mit bloßem Auge nur noch Spuren erkannt werden. Auf den Reliefs werden einige der Soldaten vollständig nackt dargestellt, was man sicherlich dem Konzept der heroischen Nacktheit der hellenistischen Skulpturen zuschreiben kann. Für einen Soldaten wäre es sicher wenig ratsam gewesen ohne Rüstung und Kleidung in die Schlacht zu ziehen.

Typisches Gewand

Die oben genannten Abbildungen erlauben uns ein typisches Gewand eines makedonischen Soldaten zu rekonstruieren. Allerdings können andere wichtige Fragen zur Kleidung in diesem Rahmen nicht beantwortet werden. Wie viele Kleidungsstücke hatte ein durchschnittlicher Soldat? Wie oft wurden sie gewaschen oder gewechselt? Wie wurde mit Beschädigungen umgegangen?

Chiton

Das häufigste Kleidungsstück ist der Chiton. In seiner einfachsten Form besteht der Chiton aus zwei rechteckigen Stoffbahnen, die von der Schulter des Trägers bis zum Schienbein reichen. Oben und an der Seite waren die Stoffbahnen zusammengenäht, wobei Löcher für den Kopf und die Arme frei gelassen wurden. Um die Taille wurde der Chiton gegürtet, und schließlich so zurecht gezupft, dass die Knie entblößt sind. Ein typischer Chiton war ein wenig breiter, als die Schultern seines Trägers, so dass der Eindruck von kurzen Ärmeln entsteht, die aber nur die überstehenden Enden des Stoffes sind.

Weitere Formen des Chiton sind bekannt, aber sehr selten auf Abbildungen ende des vierten Jahrhunderts. Auf dem Alexandersarkophag trägt Alexander selbst, wie einige weitere Soldaten, einen Chiton mit langen Ärmeln. Abgesehen von den Ärmeln bleibt die Grundform des Chitons erhalten. Man kann sich ausmalen, dass lange Ärmel in Gebieten mit kälterem Klima ein nützlicher Zusatz waren. Es ist allerdings auch möglich, dass der Künstler sich bewusst entschied, Alexander so darzustellen, um den Einfluss seiner östlichen eroberten Gebiete auf seinen persönlichen Kleiderschrank auszudrücken.

Eine dritte Form des Chiton ist die Exomis, bei der einfach die Naht auf der rechten Schulter weggelassen wird. Stattdessen kann die rechte Seite mit einem Band oder einem Knopf zusammengehalten werden. Das erlaubt dem Träger die rechte Seite nach unten zu klappen, und so mehr Bewegungsfreiheit für den Arm zu erlangen. Üblicherweise werden Handwerker und andere Arbeiter mit diesem Gewand abgebildet, aber da das Leben im Militär auch eines von Harter Arbeit war, ist ein Exomis auch für soldaten gut denkbar.

Chlamys

Das zweite Kleidungsstück, das auf fast jeder Abbildung zu finden ist, ist die Chlamys, ein kurzer Soldatenmantel. Sie darf nicht verwechselt werden mit dem Zivilen Himation, welches viel umfangreicher und viel unpraktischer ist. Die Mäntel sind in mehreren Längen abgebildet, und fallen vom Oberschenkel bis teilweise zu den Knöcheln. Die Länge einer Chlamys hing sicherlich von der Gelegenheit ab, zu der sie angezogen wurde. Wenn es um die Wärme ging, wäre eine längere Variante sicherlich bevorzugt. Plutarch erzählt von einigen hellenistischen Soldaten, die ihre Mäntel in der Schlacht trugen [1]. In diesem Fall wäre ein zu langer Mantel schrecklich unpraktisch.

Zwei Grundformen von Chlamydes sind uns bekannt: ein rechteckiger typus, und ein kreisförmiger typus. Ersterer ist einfach ein rechteckiges Stück Stoff, das um die linke Körperseite des Trägers geschlungen wird. Auf der rechten Schulter wird es dann mit einer Fibel oder Nadel fixiert. So konnte der Träger immer noch seinen rechten Arm bewegen, während der Rest des Körpers bedeckt war. Die kreisförmige Variante wird auch der makedonische typ genannt. Es wird genau wie die rechteckige variante benutzt, ist allerdings statt einem Rechteck als Kreisausschnitt zugeschnitten. Wenn es richtig getragen wird, erscheint so die Unterkante als eine gerade Linie.

An der Unterkante des Chlamys waren of kleine Gewichte befestigt. Sehr wahrscheinlich dienten sie dazu, die Chlamys zu beschweren, damit sie ordentlich nach unten fällt, obwohl die Gewichte auf vielen Abbildungen viel zu klein für diesen Zweck scheinen. Wir können nicht sagen, ob es sich hier um einen Irrtum des Künstlers handelt, oder ob sie doch eine andere Funktion hatten.

Kopfbedeckung

Die typische makedonische Kopfbedeckung war die Kausia, eine Art aufgerollte Filzmütze. Die Mütze hatte ihren Ursprung in Makedonien, und verbreitete sich durch Alexanders Eroberungszüge durch die gesamte hellenistische Welt. Ihre form und Beschreibung passen sehr genau zu den Pakol Mützen aus dem heutigen Afghanistan. Man kann davon ausgehen, dass die Pakol Mütze ein Nachfolger der makedonischen Kausia ist, die von Alexanders Truppen nach Afghanistan gebracht wurde.

Schuhwerk

Beim Schuhwerk gibt es zahlreiche Abbildungen zeitgenössischer Kunst. Üblicherweise trägt ein Soldat Stiefel, die den ganzen Fuß und das Bein bis oberhalb der Knöchel bedecken. Einige Stiefel reichen noch weiter das Schienbein hinauf. Manche Stiefel weisen Elemente von Sandalen auf, mit Öffnungen für die Zehen, oder bestehen gleich vollständig aus gewickelten Lederbändern. Es gibt keinen einheitlichen wiederkehrenden Typus, den wir von den Abbildungen ableiten können, daher können wir davon ausgehen, dass das Schuhwerk stark vom persönlichen Geschmack des Trägers abhing.

Material und Webart

Leider erlauben uns Abbildungen keine Rückschlüsse auf die verwendeten Materialien oder die Webart von Stoffen. Textilfunde aus dem antiken Griechenland sind sehr selten, und keiner kann eindeutig einem Kleidungsstück zugeschrieben werden. Die meisten haben sich in Gräbern erhalten, wo sie als Bedeckung für die sterblichen Überreste oder andere wichtige Gegenstände dienten. Unter den erhaltenen Textilfragmenten finden sich Reste aus Leinen, Wolle, und Seide. Ein Leinenrest weist eine webdichte von 24 Fäden pro cm auf. Leider ist uns nichts über die Webart der Stoffe bekannt, aber wir können davon ausgehen, dass Leinwandbindung als einfachste Webart in Gebrauch war.

Wahrscheinlich war der Chiton eines einfachen Soldaten aus Leinen oder Wolle, wenn man bedenkt, in welchen Zusammenhängen Seide gefunden oder erwähnt wird. Für die Gürtung des Chitons gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, beispielsweise ein gewebtes Leinen- oder Wollband, ein Lederband, oder ein einfaches Hanfseil. Wolle ist das wahrscheinlichste Material für die Chlamys, wenn wir seine wahrscheinlichste Funktion als Wärmespender, und Schutz vor schlechtem Wetter, betrachten. Wie andere Mützenarten, die aus dem antiken Griechenland bekannt sind, war eine Kausia aus Wollfilz. Stiefel und Sandalen waren sicherlich aus Leder, einem Material, das durch die Jahrtausende nicht nur im antiken Griechenland als Schuhmaterial belegt ist.

Farben und Verzierungen

Nur ein kurzer Blick auf die Abbildungen zeigt uns, dass die Kleidung eines hellenistischen Soldaten in einer vielzahl von Farben gefärbt sein konnte. Wir können Kleidungsstücke in unterschiedlichen Rottönen, Blau, rein Weiß, Hellgelb, Goldgelb, Grau, Dunkelgrau oder Schwarz, und Lila identifizieren.

Die letzte Farbe, Lila, braucht eine besondere Erklärung, da sie von vielen antiken Autoren in einen königlichen Kontext gerückt wird. Sie war das Zeichen des makedonischen Königshauses [2, 3, 4], oder zumindest der engsten Freunde und Leibwächter [5, 6, 7]. Daher zeigt die Abbildung des Grabes von Agios Athanasios auch sehr wahrscheinlich eine königliche Prozession, und die abgebildeten Soldaten sind königliche Pagen oder Leibwächter. Ein durchschnittlicher makedonischer Soldat hätte wohl keine lilanen Kleidungsstücke getragen. Für die restlichen genannten Farben sind uns keine ähnlichen Einschränkungen bekannt.

Da die Farbe der Chitones auf den Abbildungen von Soldat zu Soldat unterschiedlich ist, können wir annehmen, dass auch die Farbe des Chitons von dem Geschmack des Trägers abhing. Viele der Chlamydes hingegen sind goldgelb gefärbt mit einem lilanen Zierstreifen. Die Bedeutung dieser Uniformierung ist uns gänzlich unbekannt, aber es könnte ein anzeichen dafür sein, dass die Soldaten zur selben militärischen Einheit gehörten, da einheitliche Mäntel von antiken Autoren erwähnt werden [1].

In den Quellen für unsere Rekonstruktion ist die Kausia immer rein weiß. Farbige Mützen werden hingegen als besonderes Geschenk des Königs an seine Soldaten und Freunde erwähnt [7].

Alle Kleidungsstücke aus den Abbildungen weisen bemerkenswert einfache Muster und Verzierungen auf. Die meisten Chitones sind schlicht einfarbig, manche haben vertikale Streifen, ähnlich wie die Clavii auf späteren römischen Tuniken. Die meisten Chlamydes weisen breite Zierstreifen aus Kontrastfarben entweder an der Unterkante, oder an der Seite auf. Kompliziertere Verzierungen, wie beispielsweise Stickereien, sind auf den Abbildungen nicht zu sehen. Es ist natürlich denkbar, dass solche feinen Details auf en Abbildungen nicht mehr erhalten geblieben sind, besonders auf dem Alexandersarkophag, wo nur gernige Spuren von Farbpigmenten erhalten sind.

Belege

[1] Plut. Aem. 18.3
[2] Arrian VII.8
[3] Plut. Pyrrh. 8.1
[4] Plut. Cleomenes 13.2
[5] Liv. 42 51
[6] Liv. 45 32
[7] Plut. Eum. 8.7